Tagesspiegel, Mehr Berlin, Juni 2016

Die einen suchen Sinn, die anderen brauchen Geld: Immer mehr Berliner starten aus dem Ruhestand noch einmal ins Berufsleben. Unter ihnen gibt es große Unterschiede – von prekär bis privilegiert, von verschämt bis erfüllt. Doch alle gemeinsam stehen für die Zukunft der Arbeit und der Gesellschaft. Von Karl Grünberg

Es war ein rauschendes Fest. Die Kinder, die Eltern, die Kollegen. Sie alle feierten
ihn. Klopften ihm auf die Schulter, malten Bilder, führten ein Theaterstück auf,
sangen Lieder, vergossen Tränen.Waren wehmütig, dass er jetzt geht. Und sie schenkten ihm eine Hängematte. Damit er sich endlich ausruhen könne. Erzieher Andreas Appelles war 65, und das Signalwar eindeutig: Ab mit dir aufs Altenteil. Mach dir einen Bunten. Fahr weg. Such dir ein Hobby. Du hast es dir verdient.

Für ihn war es jedoch einer der schrecklichsten Tage seines Lebens. Als er sich schließlich in sein Auto setzte und nach Hause fuhr, der bärtige Mann, den Freunde und Weggefährten nur den grauen Bären nennen, liefen ihm die Tränen über die Wangen. Sein Leben, seine Aufgabe, seine Bestätigung war doch hier, bei den Kindern, und nicht zu Hause, wo niemand auf ihn wartete.

Was sollte er nun tun? Von welchem Geld sollte er schon große Reisen machen? Sonderlich viel verdient hatte er ja nicht. Als Erzieher? Das ist ja ein Beruf, in dem es eher um Überzeugung und weniger um Geld geht. Sollte er, Andreas Appelles, der graue Bär, etwa schon fertig sein?

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