Tagesspiegel, April 2016
Liebe geben. Grenzen setzen. Vorbild sein. Gar nicht so einfach. Was macht einen guten Vater aus? Unser Autor, Karl Grünberg, stellt sich diese Frage selbst – und trifft Männer, die darauf eigene Antworten haben.
Diesen Blick kenne ich. Kritisch. Musternd. Abwägend. Wer ist dieser bärtige Kerl, der vorgibt, mein Vater zu sein? Diesen Blick, den kann nur meine Tochter. Sie Teenager. Ich Vater,
sorgend, beschützend. Am liebsten würde ich sie immer noch jeden Morgen mit der
S-Bahn zur Schule bringen. Nur, das Kind ist keines mehr und hat inzwischen eine eigene,
ausgeprägte Meinung.
Es ist Montag, 6 Uhr 45, und ich bin seit anderthalb Stunden wach. Der Grund dafür heißt Oscar, ist acht Monate alt und randaliert in seinem Kinderstuhl herum, wirft Bananenstückchen auf den Boden, kippt das Wasser hinterher und brüllt dabei triumphierend.
Meine Tochter betrachtet also ihren 35-jährigen zweifachen Vater, Augenringe, zerknittert,
seit Tagen ungeduscht. Ich mache, was ich seit acht Schuljahren jeden Morgen mache. Ich
schmiere ihre Schulbrote. Zwei mit Schoko. Zwei mit Frischkäse und Gouda. Ist kein Brot da, stehe ich zehn Minuten früher auf und gehe noch schnell zum Bäcker.Mein Kind ohneVerpflegung, das geht nicht.
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