Go-Magazin, Herbst 2013

Es gibt sie wirklich: Geisterjäger. Nicht nur in Filmen oder Serien, auch im richtigen Leben. Allein in Deutschland suchen knapp 30 Gespensterclubs in Burgruinen und Herrenhäusern nach übersinnlichen Phänomenen. Wer sie begleitet, darf auf Gruseliges hoffen.

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Eine Fledermaus fliegt über den Hof der Burgruine Wolfstein. Der Mond taucht hinter der Turmspitze auf. Still ist es und dunkel. Genau der richtige Ort, um mit Geisterjägern die Nacht zu verbringen. Ob Gespenster, Poltergeister oder weise Frauen – die Geistertruppe sucht nach allem, was zwischen alten Gemäuern spuken konnte. Der Ort: Burg Wolfstein, knapp 900 Jahre alt, in der fränkischen Oberpfalz gelegen und Schauplatz mittelalterlicher Scharmützel und Brandschatzungen.Die Geisterjager: Tagsüber gehen sie normalen Berufen nach, sitzen im Büro oder bauen Computer zusammen. Nachts klettert die Truppe durch Ruinen oder eilt zu alten Damen, die aus Angst vor Klopfgeräuschen nicht schlafen können.

Ich treffe die vier Geisterjager vor der Burg. Zwei Männer, Alex und Daniel und die beiden Frauen, Doris und Nadine, tragen uniform schwarze T-Shirts, bedruckt mit ihrem roten Logo: Ghosthunterteam Bayern. Im Internet präsentieren sie sich mit gruseligen Namen: Hexana, Trasgu, Black Angel und Harritor. Aber hier in der Runde, mit Zigaretten im Mundwinkel, konnten sie auch Mitglieder eines Kegelvereins sein. Doch was treibt die vier nachts in eine Burgruine? Ist es der Nervenkitzel, wie bei einem guten Gruselfilm? Zumindest was die Ausrüstung angeht, kann die Truppe jedem filmischen Vorbild standhalten. „Die Ghostbuster sind Amateure gegen uns“, sagt Alex, Mitte 40, Computerfachmann, wahrend er auf dem Burghof, zwischen Turm und Rittersaalruine, die Basisstation aufbaut.

Er holt ein technisches Gerat nach dem anderen aus silbernen Alukoffern. Innerhalb einer halben Stunde verwandelt sich die Ruine in ein Geisterüberwachungsgebiet. Alex zeigt auf den Monitor. der schaltet er die Infrarotkameras dazu, sie übertragen Bilder aus jedem Winkel der Burg. Die Daten werden auf dem Laptop gespeichert und später zuhause ausgewertet. „Langweilig, stundenlang eine Mauer anzustarren“, sagt Alex. „Aber wir wissen nie, ob wir nicht doch was einfangen.“ In der Rittersaalruine bastelt Daniel, Anfang 20 und im richtigen Leben Trockenbauer, derweil die einzelnen Bestandteile seines Schattentesters zusammen: Ventilator, Kamera und Lasergrid. Eingeschaltet, huschen die vielen Laserpunkte mit der Schwenkbewegung des Ventilators über die Mauer.

Wozu soll das gut sein? Daniel: „Wenn ein Nebel oder eine Gestalt durchgeht, gibt es einen Schatten, den ich auf Band habe.“ Nadine, Mitte 20, hantiert mit einem Infrarot-Thermometer, das aussieht wie eine der Phaser-Pistolen von Raumschiff Enterprise. Sie zielt auf eine Mauer, drückt ab und die Temperatur erscheint auf dem Display. Ob Wind, Luftfeuchtigkeit oder Temperatur, alle Daten werden in ein Protokoll eingetragen.

War da was? In einer Ecke wird es auf einmal sehr kalt, Copyright: Amadeus Waldner
War da was? In einer Ecke wird es auf einmal sehr kalt,
Copyright: Amadeus Waldner

Mit einer Ernsthaftigkeit, als ginge es um wissenschaftliche Untersuchungen, laufen sie von einer Ecke der Burg zur anderen, messen, filmen und fotografieren. Gibt es denn wirklich Geister? „Ich glaube halb daran“, sagt Alex. „Zuerst suchen wir nach natürlichen Ursachen.“ Er berichtet, wie sie von älteren Menschen gerufen werden, die soviel Angst haben, dass sie nicht mehr schlafen können. „Da klopft was, es rauscht oder knarzt. Dann messen und untersuchen wir so lange, bis wir sie beruhigen können.“ Am Ende war es doch der Wind, die Diele, Wasser in der Heizung oder Schall, der sich überträgt. Kein Geist. „Die älteren Herrschaften sind erleichtert und mir macht es Spaß“, sagt Alex. Geld nimmt die Truppe nicht. Im Gegenteil, sie wollen einen Verein gründen. Nur das Finanzamt muss noch von der Gemeinnützigkeit ihrer Geisterjagden überzeugt werden.

23.30 Uhr: Zur Geisterüberwachung gehört auch der Empfindungstest, der direkte Gespenster- Kontakt. Dafür ist Doris zuständig. „Ich habe einfach den richtigen Draht. Erklären kann ich es nicht, vielleicht bin ich sensibler als die anderen.“ Zusammen mit Nadine geht sie in die ehemalige Vorratskammer der Burg. „Warum hierher“, frage ich sie. „Gefühl“, sagt Doris. Sie stellt sich in eine Ecke und richtet eine Kamera auf sich. Nadine steht etwas weiter weg. Sie filmt Doris und misst gleichzeitig die Temperatur, 24 Grad, und die Luftfeuchtigkeit, 55 Prozent. „Wozu?“, flüstere ich zu Nadine. „Geister sind Energien, die selber Energie brauchen. Deswegen wird es kälter, oder die Akkus entleeren sich, wenn sie kommen“, wispert sie zurück.

Doris legt los. „Wer seid ihr?“, fragt sie in die Stille. „Gebt mir ein Zeichen.“ Nichts. Doris versucht es wieder. Es bleibt ruhig. Plötzlich: „Die Kamera hat sich von allein auf Standby geschaltet.“ Sie wartet, macht die Kamera wieder an. Doris fragt weiter: „Wart ihr das?“ und „Könnt ihr das wiederholen?“ Nichts passiert. Derweil kontrolliert Nadine die Messgeräte: „Temperatur um zwei Grad gesunken.“ Auf ein Mal krümmt sich Doris. „Mir wird schwindelig.“ Sie hält es nicht mehr aus. „Da ist etwas“, sagt sie. Nadine wird es auch unheimlich, schnell gehen sie zu den anderen. Ich bleibe zurück. Was soll an dieser Ecke besonders sein? Vorsichtig nähere ich mich, kann aber nichts erkennen. Ich lehne mich an die Wand, schließe die Augen. Plötzlich wird mein Arm kalt. Es fühlt sich an, als liefe mir ein Schauer über die Haut. „Wo bleibst du?“ Auf einmal steht Doris vor mir und schimpft: „Erste Ghosthunterregel: Wenn es dunkel ist, geht niemand mehr allein irgendwohin. Viel zu gefährlich.“

Text: Karl Grünberg, erschienen im GO-Magazin, 10/2013

Foto: Amadeus Waldner, http://amadeuswaldner.tumblr.com/